Hoch hinaus!


Als Anfang 2007 zwei unserer Helferinnen mal wieder das Tierheim von Loulé besuchten, kam nach einem Telefonat plötzlich die portugiesische Leiterin São aufgeregt zu ihnen. Sie gab zu verstehen, dass sie zu einem Einsatz müsse und die beiden mitkommen sollten.
Der Anruf kam von einer Bekannten Sãos. Dort hatte sich ein Rottweiler aufs Dach ihres Hauses verirrt. Niemand der mittlerweile zahlreichen Schaulustigen traue sich an das große Tier heran, weil jeder befürchte, gebissen zu werden.

Schnell wurde im Tierheim noch die Fangschlinge eingepackt, falls sich vor Ort wirklich herausstellen sollte, dass man nicht anders an den Rottweiler heran käme. Dann bestiegen die drei Frauen den Jeep und brausten los.
São wies der Fahrerin den Weg, weil sie ja die einzige war, die sich auskannte. Unserer im Heck mitfahrenden deutschen Helferin wurde in der Zwischenzeit bewusst, dass sie sich diesen Bereich auf dem Rückweg ja mit dem Rottweiler würde teilen müssen. Au weia. Was, wenn er tatsächlich aggressiv war? Könnte sie ihn mit der Stange der Fangschlinge so auf Abstand halten, dass sie selber unbeschadet im Tierheim ankommen würde? Und überhaupt: wie lange dauerte diese Fahrt eigentlich? Es erschien ihr wie eine Ewigkeit.
Nach rund 20 Minuten kamen die drei schließlich am Einsatzort an. Eine Meute Neugieriger begrüßte sie. Und dann sahen sie auch endlich den Rottweiler auf dem Dach sitzen, genauer gesagt auf einem kleinen Vordach.
Es ist absolut rätselhaft, wie das Tier dort hinauf gekommen ist. Am wahrscheinlichsten ist allerdings die Theorie, dass die Hündin über die Außentreppe auf die Dachterrasse gelangt und dann über die Brüstung auf das Vordach gesprungen ist. Ein anderer Zugang war nicht erkennbar.

Aber sei es, wie es will. Es stellte sich die Frage, wie man diese schwere Hündin von ihrem "Hochsitz" herunter bekommen sollte. Eine Sorge wurde den Tierschützerinnen schon genommen, als nämlich die Umstehenden erzählten, dass die Hündin lieb sei. Es hatten sich während der Anfahrt wohl doch einige Jugendliche an den Rottweiler heran getraut. Das Problem war allerdings, den Koloss über die Brüstung wieder auf die Dachterrasse zu hieven.
Da bei einer solche Aktion niemand vorhersehen kann, wie das betroffene Tier reagiert, ging São vorsichtshalber doch mit der Fangschlinge zu Werke. Die Hündin reagierte gelassen und somit fasste sich ein junger Mann ein Herz und kletterte zu unserem Sorgenkind hinunter, um sie Richtung São hoch zu stemmen.

Alle waren erleichtert, dass die verunsicherte Hündin recht schnell geborgen werden konnte. Dann wurde an ihrem Humpeln jedoch offensichtlich, dass sie eine Beinverletzung hatte.
Die Anwohner erzählten, dass sie bereits seit zwei oder drei Tagen in der Gegend umherstreune und wohl von einem Auto angefahren worden war. Abgesehen von dieser Verletzung war sie in einem guten Pflegezustand, was auf Besitzer schließen ließ. Da aber niemand darüber Bescheid wusste, wo sie herstammte und auch die möglichen Besitzer nicht nach ihr gesucht hatten (oder zumindest keinen Erfolg damit hatten), wurde sie kurzerhand in den Jeep verladen.
Die Rückfahrt zum Tierheim verlief problemlos. Sowohl die Hündin als auch die bei ihr sitzende deutsche Helferin waren sichtlich froh, dass die jeweils andere sie in Ruhe ließ. Es hätte durchaus auch sein können, dass der tierische Fahrgast plötzlich Panik bekommen hätte angesichts der fremden Zweibeiner oder des Autofahrens und dann wäre guter Rat teuer gewesen. Doch, wie gesagt, das Glück war den Frauen hold.

Im Tierheim nahm die Hündin dann das ausgepolsterte Körbchen dankbar an, das die Mitarbeiter ihr anboten. Nun ist sie eine unter vielen Tierheimbewohnern, die sehnlichst auf ein neues Zuhause hoffen. Wir drücken ihr die Daumen, dass ihre Geschichte vollends ein gutes Ende findet.