Othello - ein Leben außerhalb der Tierheimmauern


Im März 2003 tauchte er plötzlich vor dem Tierheim auf: ein kleiner schwarzer Spitz-Mischling mit wuscheligem Fell. Er war ausgesetzt worden und hatte große Angst vor uns Zweibeinern; wahrscheinlich war ihm in seinem Vorleben übel mitgespielt worden.
Wir nannten den kleinen Kerl Othello. Anfangs sah man ihn kaum, weil er sich vor lauter Furcht tagsüber versteckte. Erst bei Anbruch der Dämmerung näherte er sich vorsichtig dem Tierheim und dem dargebotenen Futter. Lange Zeit wurde er so gefüttert, ohne dass man ihn hätte einfangen oder auch nur berühren können.
Nach rund fünf Monaten war es dann soweit, dass ein Mitarbeiter Othellos Vertrauen so weit gewonnen hatte, dass eine erste Berührung möglich war. Zuerst gab es nur einige zaghafte Kontakte, aber bald gelang es dann dem besagten Mitarbeiter, dass er sich Othello schnappen konnte. So wurde dem ängstlichen Gesellen eine Impfung zuteil und die Kastration folgte gleich nach.

Othello wurde im Tierheim untergebracht, konnte sich jedoch in seine Hundegruppe nicht richtig integrieren. Seine Artgenossen mobbten ihn geradezu, er wurde ständig Opfer ihrer Attacken. Das ging so weit, dass er zunehmend verunsicherter wurde. Also mussten wir reagieren. Wenn er sich im Tierheim so unwohl fühlte, dann sollte er eben wieder außerhalb der Mauern leben.
Gesagt, getan. Er wurde wieder in die "Freiheit" entlassen und wir waren sehr erleichtert, dass er nicht gleich das Weite suchte, sondern immer noch zuverlässig in der Nähe des Tierheims blieb. Er wurde regelmäßig gefüttert und mit der Zeit legte sich seine Scheu etwas.
Mit viel Geduld gelang es uns, ihn zu streicheln. Das schafften aber nur einige Mitglieder des Personals und wir Helfer aus Deutschland. Vor den Portugiesen nahm er immer Reißaus. Mit ihnen verbindet er wohl schlechte Erinnerungen.
Die Monate und Jahre verstrichen und Othello wurde als "Türwächter" zu einer festen Institution. Wann auch immer wir das Tierheim ansteuerten, war er da und lag dort vorm Eingang. Wohlgemerkt, hinein wollte er nicht mehr, ihm genügte es zu wissen, dass Leute kommen würden und ihn mit Futter versorgten.
Die Straße wurde zu seinem Lebensraum und er schien damit zufrieden zu sein. Wenn andere Vierbeiner am Tierheim ausgesetzt wurden, blieben diese wohl oft dank Othellos gutem Beispiel in der Nähe, so dass wir sie (meistens) einfangen konnten.
Im Herbst 2005 wurde dann die bisher unbefestigte Straße entlang der Anlage asphaltiert. Für Otello machte das keinen Unterschied, es war immer noch "seine" Straße.

Sein Pech ist nur, dass nun die Autos dort viel zahlreicher und natürlich auch schneller vorbeifahren als vor dem Ausbau. Unser standorttreuer Othello befindet sich nun in ständiger Lebensgefahr. Vor allem im Dunkeln ist er mit seinem schwarzen Fell auf der Straße kaum zu entdecken und viele Autofahrer nehmen auf Vierbeiner auch wenig Rücksicht. Zwei Mal ist er bereits mit Kraftfahrzeugen kollidiert, kam aber glücklicherweise glimpflich davon.
Nun haben wir uns dazu entschlossen, ihn spätestens im Frühjahr 2006 mit nach Deutschland zu nehmen. Wenn er weiter in Loulé bliebe, wird er wohl früher oder später doch totgefahren werden, und das wollen wir unbedingt vermeiden. Eine Vermittlung vor Ort in Portugal ist leider ausgeschlossen, da sein schiefes Schnäuzchen einen Schönheitsfehler darstellt, mit dem sich bisher kein Interessent anfreunden wollte. Von den wenigen Tierheiminsassen, die im eigenen Land ein neues Zuhause finden, sind es eben ausschließlich die Hübschen, Jungen, Gesunden, kurz die Makellosen, die in diesen Genuss kommen. Ein Hund wie Othello wird dort nicht einmal richtig wahrgenommen. Und außerdem hat sich sein Verhalten gegenüber den Einheimischen noch nicht geändert, d.h. er meidet sie immer noch und macht so ganz deutlich, dass er mit ihnen nichts zu tun haben will.
So hoffen wir, dass er in Deutschland eine reelle Chance bekommen wird und wir geduldige und verständnisvolle Menschen finden werden, die diesen kleinen Wuschel ins Herz schließen und ihm ein gutes Zuhause bieten. Ein sicher eingezäunter Garten sollte vorhanden sein, da es schon einige Tage dauern kann, bis er so weit Vertrauen fasst, dass ein normales Gassi gehen möglich ist.
Sollten Sie Othello bei sich aufnehmen wollen, dann melden Sie sich doch bitte unter der Telefonnummer 06758/804426 bei Frau Schönberg.
Wenn alles klappt, soll Othello im Mai 2006 nach Deutschland kommen.